Es ist gerade einmal ein paar Jahre her, da habe ich soeben erst damit angefangen, mich mit Filmen weitgehender zu beschäftigen und meine große Leidenschaft dafür zu entwickeln. Ich müsste irgendwas zwischen 18 und 20 Jahre alt gewesen sein und damals war ich besonders für sogenannte „Mindfuck“-Filme zu begeistern (dank „Inception“). Infolgedessen bin ich in diesem Zusammenhang immer wieder auf einen bestimmten Filmtitel gestoßen, der auch stets von Liebhabern als absolutes Meisterwerk angepriesen wurde: „Oldboy“ aus dem Jahr 2003. Zu dieser Zeit war er passenderweise auf einem Streamingservice verfügbar, also ließ es sich nicht lange auf sich warten und nichtsahnend stürzte ich mich in meinen ersten koreanischen Thriller.
Ich werde nie vergessen, wie krass ich bei diesem Film beim ersten Mal aus den Latschen gekippt bin. Dieser gnadenlose Rachethriller war anders als alles, was ich bis dahin gesehen hatte, er hat mir wahrlich die Augen geöffnet und war für mich folglich der Gradmesser für alle Thriller, die ich seither gesehen habe. Wenn ich mich außerdem heute auf fünf Lieblingsfilme festlegen müsste, dann wäre er zudem garantiert dabei. „Oldboy“ war für mich also der Einstieg in eine neue Filmwelt, nämlich die des südkoreanischen Kinos. Über die Jahre hat mich der Film so geprägt, dass ich unbedingt mehr von dieser Bildsprache sehen wollte und natürlich führte mein Weg zu zahlreichen weiteren Filmen aus seinem Produktionsland, die ich nun nachzuholen hatte. So entstand schließlich meine Leidenschaft für koreanische Filme, die ich jederzeit jedem anderen Film vorziehen würde.
Doch was ist es, dass mich so sehr an ihnen fasziniert? Ganz einfach: Sie strahlen Unberechenbarkeit aus. Es ist das Gefühl, das alles passieren könnte und keine Grenzen gesetzt sind. Das könnte man vielleicht ganz gut mit dem Erfolgsphänomen von „Game of Thrones“ vergleichen: Am spannendsten an der Serie fand ich neben den Intrigen immer den Aspekt, dass jederzeit jede der Figuren einfach sterben könnte und kein Halt vor Publikumslieblingen gemacht wurde. Diese Art der Spannungserzeugung gab es natürlich auch schon weit vorher, zum Beispiel 1960 mit „Psycho“, wo einfach mitten im Film die groß umworbene Hauptfigur umgebracht wird.
Bei den koreanischen Filmen zeigt sich diese scheinbare Uneingeschränktheit darin, wie sie beispielsweise Genrekonventionen aufbrechen und spielerisch mit ihren Genres jonglieren (Beispiele hierzu kommen weiter unten). Ein weiteres ausgeprägtes Merkmal ist außerdem die explizite Gewaltdarstellung. Koreanisches Kino kann oft ziemlich hart sein, aber es trägt immer zu der Atmosphäre bei und kommt vorallem einer ihrer großen Stärken zu Gute: Die Kompromisslosigkeit, die die Südkoreaner ihren Filmen verleihen.
Was mir außerdem noch aufgefallen ist, ist dass ich bisher noch kaum einen koreanischen Film gesehen habe, der nicht irgendwo die Gesellschaft abbildet und irgendeine Form von Kritik an ihr anbringt. Eskapismus sieht anders aus, aber mir gefällt diese Nähe zur Realität und diese Selbstreflexion.
Es bleibt also festzuhalten, dass sie gerne mal aus den ganzen festgefahrenen Filmformeln ausbrechen und damit einen frischen Wind in die heutige Filmwelt hineinbringen. Aber ich möchte auch nochmal hinzufügen, dass koreanische Filme nicht nur düster, hart und niederschmetternd sein können, sondern das Ganze wird für mich durch ihren ganz eigenen Witz und Charme abgerundet, den sie versprühen. Abschließend möchte ich euch noch einige meiner liebsten Vertreter auflisten, die ich auf meinem filmischen Ausflug nach Südkorea entdeckt und lieben gelernt habe.
Den Anfang machen die Filme, denen bereits in anderen Beiträgen einige Worte gewidmet wurden und die ich euch hier verlinken möchte:
- Zu „Oldboy“ (2003) habe ich bereits früher schonmal einen eigenen Beitrag angefertigt, den könnt ihr hier finden.
- „A Taxi Driver“ (2017) und „Parasite“ (2019) finden sich beide in unserer Loveful 8 wieder. Beide Filme sind für mich auch die idealen Beispiele dafür, wie innerhalb eines Films in fließenden Übergängen einfach mal die Genres gewechselt werden.
- Über „Joint Security Area“ (2000) habe ich im Film-Dreieck mit dem lieben Steffelowski diskutiert, der ihn sich auf mein Anraten angesehen hat.
- Zwei kleine Geheimtipps zu koreanischen Thrillern gibt es von mir außerdem noch bei den Filmtipps.
Und zu guter Letzt die Filme, die noch nicht die nötige Aufmerksamkeit bekommen haben:
- „The Age of Shadows“ (2016) ist ein Spionagethriller, der das Korea der 1920er zum Leben erweckt, welches von Japan besetzt war. Das spannungsreiche Setting fühlt sich frisch und unverbraucht an und bietet die Grundlage für einen wirklich wunderschön inszenierten Film, der ein interessantes ‚period piece‘ abgibt.
- „Silenced“ (2011) ist ein bewegendes Drama vom „Squid Game“-Schöpfer über die wahren Begebenheiten an einer koreanischen Schule für Hörgeschädigte. Dort wurden über einen längeren Zeitraum junge taube Kinder sexuell von den Fakultätsmitgliedern missbraucht. Als der Film erschien, schlug er in Südkorea dermaßen hohe Wellen, dass die Missbrauchsfälle neu aufgerollt wurden und er war tatsächlich der Auslöser für eine rechtliche Reform, die ein deutlich strengeres Strafmaß für Sexualverbrechen an Minderjährigen und Menschen mit Behinderung eingeführt hat. Wenn das mal kein gutes Beispiel dafür ist, was Filme so bewirken und ändern können. „Silenced“ gibt es derzeit bei Netflix.
- „The Good, the Bad, the Weird“ (2008) ist tatsächlich ein südkoreanischer Western! Man mag es kaum glauben. Inspiriert ist er vom Italowestern-Klassiker „Zwei glorreiche Halunken“ mit Clint Eastwood und die Koreaner machen hier keinesfalls halbe Sachen. Der Film ist dynamisch und voller Spielfreude inszeniert und macht von vorne bis hinten enormen Spaß.
- „The Chaser“ (2008) ist einer der kompromisslosesten und beinhärtesten Krimi-Thriller, die ich je gesehen habe. Den Film gibt es derzeit bei Amazon Prime.
- „Mother“ (2009) ist mein persönlicher Lieblingsfilm von Bong Joon-ho („Parasite“, „Snowpiercer“). Einfach, weil er so viel anders macht als alle anderen Krimi-Thriller und sich extrem einzigartig anfühlt.
Wer nun an weiteren koreanischen Filmen interessiert ist oder gerne wissen möchte, welche ich noch alle gesehen habe, der kann meine Letterboxd-Liste auszuchecken.
Ich liebe das koreanische Kino auch… und natürlich die koreanischen Serien.
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Welche Filme findest du am stärksten und ist da vielleicht noch einer dabei den ich nicht gesehen habe? Halte immer Ausschau danach 😄
Mit Serien habe ich vor Kurzem erst angefangen, das einzige Problem ist, dass die meisten extrem lang sind
Hast du irgendwelche Empfehlungen?
Ich habe mit Reply 1988 angefangen, die ist schon sehr charmant
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Da ich Serienjunkie bin, schreib ich erstmal die auf 🙂 Es gibt auch koreanische Serien, die haben normale Staffeln 😉 Bin auch kein Fan von 30 – 50 Folgen pro Staffel.
All of us are Dead
The Silent Sea
Goedam
My Country: The new Age
The Arthdal Chronicles
Kingdom
Was Filme angeht, da haben mir diese gut gefallen:
The Great Battle
Rampant
Contamination – Tödliche Parasiten
Monstrum
Ashfall
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Welches ist denn dein Favorit bei den Serien? Außer The Silent Sea (fand ich gut) und All of us are Dead (fand ich blöd) kenne ich da so gar nichts weiter. Hau mal ’ne Empfehlung raus….
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Arthdal Chronicles könnte man als koreanisches GoT bezeichnen 😉
Ich finde die alle gut. Goedam ist Horror, falls du das magst.
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Mother ist ein grandioser Film! Ich hoffe ja, dass Bong Joon-hos „Frühwerk“ dank der Parasite Begeisterung noch noch mehr westliche Aufmerksamkeit bekommt. Mother, the Host, Memories Of Murder, keiner macht Filme exakt wie Regisseur Bong. Definitv einer meiner liebsten Filmemacher.
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Bei mir hat das zumindest funktioniert und hab nach Parasite seine Filmografie abgearbeitet 😄 bei mir erreicht er diesen Status nicht ganz, aber seine Filme sind allemal jedes Mal einzigartig
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Hallo, bin selbst Fan von den Serien und Filmen aus Südkorea!
Bin nur etwas gehandicapt beim Schauen von sehr viel Gewalt, aber nicht immer scheue ich mich davor und manchmal entdeckt man Nuancen in Charakteren, die leider in anderen Genres nicht einfließen, aber es kommt vor.
Ich habe etwas quergelesen bei dir – Stichwort: Antiheld – schon mal den Film Bin Jip – 3 Iron (2005) probiert, kommt mit sehr wenig Dialog aus, aber ist wie ich finde gerade dadurch besonders eindrücklich. Gesehen habe ich ein paar Filme von Kim Ki Duk, er konnte schöne wie ebenso verstörende Bilder kreieren. The Sunflower von 2006 ist mir auch lange im Gedächtnis geblieben, obwohl ich heute nicht mehr genau sagen könnte, was diesen starken Eindruck hinterlassen hat, vielleicht war es auch einfach nur dem Anfang meines neuen Hobbys geschuldet.
An Serien könnte ich mir vorstellen, dass dir Bad Guys, Cruel City, 14 Days oder auch Flower of Evil gefallen. Soweit ich mich erinnere alle mit ca. 16 Folgen, Bad Guys hatte noch zwei Filme im Nachlauf.
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