Mit „Psycho“ hatte Alfred Hitchcock 1960 gezeigt, dass man einen Horrorfilm, der Zuschauern das Blut in den Adern gefrieren ließ, auch ganz ohne Vampire, Werwölfe oder Urzeitmonster machen konnte. Das wahre Leben und dessen Abgründe bot viel mehr Schrecken als alle übernatürlichen Kreaturen zusammen. Das Genre des Psycho-Thrillers war geboren und es sollte nicht lange dauern, bis die Leinwand von irren Axt-, schizophren Frauenmördern und sonst wie durchgedrehten Killern nur so wimmelte. Meist schnell heruntergekurbelter Schund, der keinen neuen Norman Bates hervorbringen konnte
Mit dem Drehbuch zu „What ever happend to Baby Jane?“ (deutscher Titel „Was geschah wirklich mit Baby Jane?) von Lukas Heller, sah man bei Warner Brothers die Chance, einen echten Hit und würdigen Nachfolger zu ‚Psycho‘ in die Kinos bringen zu können. Die Geschichte um zwei alternde Schwestern und ehemaligen Hollywoodstars, die zusammen in einem verkommenen düsteren Haus leben und die nur der gegenseitige Hass aufeinander verbindet, hatte ausreichend Gruselpotential, um ordentlich Kasse zu machen.
Joan Crawford und Bette Davis waren zwar keine Schwestern, aber alternde Superstars aus dem „Golden Age“ Hollywoods der 1930er und 40er-Jahre, deren letzten großen Rollen bereits einige Jahre zurücklagen. Und wie es das Schicksal so wollte, verband die beiden Diven eine jahrzehntelange, von der Klatschpresse beständig am Köcheln gehaltene, abgrundtiefe Abneigung füreinander.
Begonnen hatte ihre Fehde bereits 1933. Während Crawford bereits als veritabler Star etabliert war, hatte Davis es erst in diesem Jahr geschafft, ihre erste echte Hauptrolle zu ergattern. Das Studio, bei dem sie unter Vertrag stand, wollte seinen neuen Star natürlich mit einer groß angelegten Presse- und Publicitykampagne bewerben. Am Tag der Premiere von „Ex-Lady“ hatte Crawford nichts Besseres zu tun, als die Scheidung von ihrem ersten Mann bekannt zu geben. Die Story erschien auf allen Titelblättern und war überall Tagesgespräch. Bette Davis musste sich mit Artikeln im Lokalteil der Zeitungen begnügen. Die Saat des Hasses war aufgegangen und der Ring war freigegeben.
Über die nächsten Jahre und Jahrzehnte boten sich Crawford und Davis immer wieder kleinere und größere Scharmützel, die natürlich von den Klatschkolumnisten dankbar angenommen und in ihren bunten Blättern ausführlich zelebriert wurden. Mal warf man sich gegenseitig mangelndes schauspielerisches Können oder den übermäßigen Genuss von Alkohol und anderen Substanzen vor. Beliebt waren auch Sticheleien, wer wem welche Rolle weggeschnappt hätte und natürlich, welche Mittel hierfür eingesetzt wurden. Zitat Bette Davis: „Miss Crawford hat bei MGM mit jedem männlichen Star geschlafen – außer Lassie“. Schmähungen über das Aussehen, die Kleidung oder die (Ehe)Partner des jeweils anderen waren beinahe täglich zu lesen. Und die Leute liebten es.
Es hatte immer wieder Versuche gegeben, beide für einen gemeinsamen Film zu verpflichten, weil man in den Chefetagen der großen Studios wusste, welches explosives Potenzial da vor der Kamera stehen würde. Ob sich diese Explosivität dann allerdings in schauspielerischen Höchstleistungen oder in verkaufsträchtiger Publicity manifestieren würde oder sollte, hätte dann wohl in den Händen des Regisseurs und der Studiobosse gelegen.
1961 war das „goldene Zeitalter“ Hollywoods bereits ein paar Jahre Geschichte und auch bei Bette Davis und Joan Crawford stapelten sich die guten Rollenangebote schon lange nicht mehr. Die Zeit der Diven war vorüber und beide hielten sich mit Rollen in billigen, meist schlechten Filmen, über Wasser. Da kam das Angebot von Jack Warner, Chef bei Warner Brothers, in „… Baby Jane?“ spielen zu können, nicht ungelegen. Crawford sagte, zwar mit Bedenken, ziemlich schnell zu und schaffte es letztlich sogar ihre ewige Rivalin, Bette Davis, von einer Zusammenarbeit zu überzeugen. Diese stellte allerdings zwei Bedingungen, die sie auch vertraglich festschreiben ließ: Sie spielt den titelgebenden Charakter des Films und damit die Hauptrolle. Weiter wäre es dem Regisseur, Robert Aldrich, nicht gestattet, mit Crawford ins Bett zu gehen, da Davis Angst davor hatte, dass ihre Filmpartnerin von Aldrich – gewissermaßen als Liebeslohn – besser in Szene gesetzt werden würde. Darüber, ob es sich bei Davis zweiter Forderung um ein einklagbares Rechtsgut handelt, streiten Juristen noch heute.
Natürlich waren die Animositäten zwischen den beiden Hollywood-Diven nicht vergessen, zumal beide auch nach dem Ende ihrer großen Zeit immer wieder mal frisches Öl, in das über die vielen Jahre etwas schwächer lodernde Feuer, gegossen hatten. Jack Warner und Regisseur Aldrich war natürlich bewusst, auf welchem Pulverfass sie bei der Produktion des Films saßen. Das Ganze würde entweder in himmlischen Höhen oder ewiger Verdammnis enden.
Sowohl Crawford als auch Davis spielten sich die Seele aus dem Leib, ließen sich von Aldrich führen, nahmen Kritik und Vorschläge voneinander an, ergänzten sich perfekt. Die Routine und die Erfahrung von gut 30 Jahren vor der Kamera, gepaart mit außergewöhnlichem Talent, setzten beide Schauspielerinnen gekonnt ein. Und natürlich ist der Hass, den die beiden Schwestern im Film aufeinander haben sollen, ernsthaft empfunden und nur an wenigen Stellen geschauspielert. Für beide war es die Gelegenheit auf ein Comeback in Hollywood und weitere Chancen würde es nicht geben. So machten beide wohl gute Miene zum bösen Spiel und gaben ihr Bestes. Aber natürlich hatten sie das Kriegsbeil noch lange nicht begraben. In einer Szene prügelt und tritt Davis so herzhaft und echt auf Crawford ein, dass diese ernsthaft um ihre Gesundheit fürchten musste. Die Einstellung wurde dann letztlich mit einem Bodydouble fertiggestellt. Die Gepeinigte rächte sich auf ihre Weise: Im Verlauf der Handlung muss Jane (Davis) ihre seit einem Unfall gelähmte Schwester Blanche (Crawford) aus dem Bett manövrieren, um sie in ein anderes Zimmer zu schleifen. Da Crawford wusste, dass die Davis ziemliche Rückenprobleme hatte, machte sie sich bei den Takes immer besonders schwer und half dazu zusätzlich mit einem unter ihren Kleidern versteckten Bleigürtel, wie er von Tauchern benutzt wird, nach. So musste die Szene etliche Male wiederholt werden, bis sie im Kasten war. Am Ende war Bette Davis vor Schmerzen kurz davor, ohnmächtig zu werden.
Als der Film fertig war, fiel allen Beteiligten ein riesiger Stein vom Herzen. Aber die Plackerei hatte sich gelohnt. Der Film war ein ziemlicher Erfolg, kam beim Publikum gut an und brachte Bette Davis tatsächlich eine Oscar-Nominierung als beste Schauspielerin ein. Bei der Verleihung ging die begehrte Auszeichnung dann aber an Anne Bancroft für ihre Performance in dem Drama „The Miracle Worker“ („Licht im Dunkel“). Für einen kurzen Moment war es wieder wie zu ihren Hochzeiten, und die beiden Ladys konnten sich noch einmal (fast) im alten Glanz sonnen. Auch finanziell – man hatte sich eine prozentuale Beteiligung an den Einnahmen des Films in die Verträge schreiben lassen – zahlte sich das Projekt für Crawford und Davis aus.
Leider konnte weder Crawford noch Davis an den Erfolg von „… Baby Jane?“ anknüpfen. Nach ein paar unbedeutenden Filmen und Auftritten in TV-Serien, beendeten beide ihre Karriere und zogen sich aus der Öffentlichkeit mehr oder weniger zurück, wenn man von einigen Auftritten Bette Davis in Talkshow einmal absieht. Als Joan Crawford 1977 im Alter von 72 Jahren starb, gab Bette Davis folgendes Statement ab: „Über Verstorbene soll man nicht schlecht sprechen, nur Gutes sagen. Joan Crawford ist tot. Gut.“ 1989 stieg dann auch Bette Davis in den ewigen Olymp der Hollywood-Diven auf, wo sie sich vermutlich auch noch heute mit ihrer Nemesis in den Haaren liegt.
Und zum Schluss noch eine letzte Episode aus den Dreharbeiten zu „… Baby Jane?“: Joan Crawford hatte 1955 den Manager Alfred Stelle geheiratet, der im Aufsichtsrat des Limonadenherstellers Pepsi einen Sitz hatte. Nach dessen Tod rückte sie auf seinen Platz in der Firma nach, drehte aber auch noch weiterhin Filme, in denen sie es geschickt verstand, Pepsi-Cola mehr oder weniger unauffällig zu platzieren. Eine ganz frühe Art des Product-Placements also. Am ersten Drehtag von „… Baby Jane?“ hatte Bette Davis dafür gesorgt, dass am Set ein riesiger Coca-Cola Automat aufgestellt wird.
Sehr amüsant. Die Cola Geschichte hatte ich auch für einen Beitrag auf meiner Liste. Muss mal schauen, ob ich den jetzt noch bringen kann. 🤣
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Ach, der Film selbst bietet auch noch gutes Material für einen schönen Beitrag. Vor ein paar Jahren habe ich da auch schon mal was geschrieben. ich weiß gar nicht mehr, wo der Text dann letztlich gelandet ist …
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Du hast heimlich noch mehr Projekte am laufen???
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Es gibt so manches, was Du nicht von mir weisst. Das ist aber auch ganz gut so 😎
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