Die „Ip Man“-Reihe: Ein filmisches Denkmal für eine Legende

Ip Man, ein Name, der schon längst über die Grenzen der Kampfkunst-Enthusiasten hinaus Bekanntheit erlangen konnte, vor allem auch bei Filmfans weltweit, verbirgt sich hinter diesen zwei Worten doch immerhin der Lehrer von Martial-Arts-Legende Bruce Lee. Dass sich Lee gerade Ip Man als Lehrer aussuchte, verwundert nicht, wenn man sich die Tatsache vor Augen führt, dass Ip Man sich der damals noch relativ unbekannten Kampfkunst „Wing Chun“ verschrieben hatte, die er stets weiterentwickelte und zu voller Blüte trieb. Daher ist es auch nicht verblüffend, dass eine der bekanntesten heutigen Stilrichtungen dieser Kampfkunst nach ihm benannt ist.

Wieso es allerdings trotzdem bis zum Jahr 2008 dauerte, bis ein Biopic über diesen angesehenen und bekannten Großmeister realisiert wurde, bleibt wohl ein Mysterium der chinesischen Filmgeschichte. Aus heutiger Sicht muss man jedoch sagen, dass sich das Warten durchaus gelohnt hat, denn mit der „Ip Man“ – Reihe, die bisher aus drei Teilen besteht und diesen Monat mit dem erscheinenden vierten Teil seinen Abschluss finden soll, ist Regisseur Wilson Yip gelungen, woran manch andere wahrscheinlich gescheitert wären, nämlich die bewegte Geschichte dieses großen Kämpfers mit dem nötigen Tiefgang und dem gebührenden Respekt zu erzählen – wobei natürlich auch die Kampfeinlagen nicht zu kurz kommen.
Dabei beschäftigt sich der erste Teil vor allem mit Ip Mans Zeit in seiner Heimatstadt Foshan. Dort hat es der wohlhabende Meister des Wing Chun bereits zu einigem Ansehen gebracht, weshalb es immer wieder Reisende auf seine Türschwelle verschlägt, die sich mit ihm messen und von ihm lernen wollen. Doch der herrschende Frieden wird je zerstört, als der zweite japanisch-chinesische Krieg die Invasion Chinas durch die Japaner zur Folge hat. Ip Mans Besitz wird daraufhin beschlagnahmt und um seine Familie über die Runden bringen zu können, bleibt ihm nichts anderes übrig, als in einer Fabrik zu schuften. Seine Talente im Kampfsport bleiben allerdings nicht lange unbemerkt, weshalb der japanische General Miura schnell beginnt ein Auge auf ihn zu werfen. Dieser Umstand sollte Ip Man allerdings zum Verhängnis werden, da es dieser finale Kampf zwischen ihm und Miura sein wird, der ihn zur Flucht nach Hongkong zwingt.
Der zweite Teil schließt storytechnisch dort an, wo der erste Teil endet. Nachdem sich Ip Man erholt hat, versucht er sich in Hongkong ein neues Leben aufzubauen und eröffnet eine Schule für Wing Chun. Da es in Hongkong zu dieser Zeit viele andere Kampfsportschulen gibt, muss sich Ip Man seinen Platz unter diesen aber erst einmal verdienen, indem er jeweils gegen die Leiter der anderen Schulen in einem Zweikampf antritt. Natürlich kann er die Kämpfe allesamt für sich entscheiden und erntet so den Respekt der anderen Meister. Leider hat er allerdings die Rechnung ohne die britischen Kolonialherren gemacht, die zu jener Zeit gerade in Hongkong an der Macht sind. Der Film endet, wie könnte es anders sein, mit einem großen Kampf zwischen Ip Man und dem Champion der Engländer, Taylor „The Twister“ Milos.
Der dritte Teil beschäftigt sich dann vor allem mit den Unannehmlichkeiten die Meister Ip, der inzwischen ein hohes Ansehen in Hongkong genießt, mit einigen amerikanischen Gangstern hat, die in der Stadt für Unruhe sorgen. Und auch weitere freundschaftliche Kämpfe mit anderen Meistern lassen sich nicht verhindern. Von einem biographischen Gesichtspunkt aus, bietet der Film vor allem die Thematisierung und Schilderung der Krebserkrankung von Ip Mans Frau, Cheung Wing-Sing.

Neben den Filmen von Wilson Yip gibt es auch noch drei weitere Filme, die sich auf die eine oder andere Weise mit dem Wirken Ip Mans beschäftigen, nämlich „Ip Man Zero“, „Ip Man: The Final Fight“ und „Master Z: Ip Man Legacy“. „Master Z“ habe ich persönlich zwar nicht gesehen, was, nachdem es sich hier lediglich um ein Spin-Off handelt, in dem Ip Man meines Wissens nur eine kleine Rolle einnimmt, im Zusammenhang mit diesem Beitrag wohl verschmerzbar ist, allerdings habe ich die beiden anderen oben genannten, außertourlichen Filme angeschaut und muss sagen, dass diese für mich zu der Kategorie „unterhaltsame, leicht verdauliche Kost, die man schnell wieder vergessen hat“ zählen. „Ip Man Zero“ ist dabei quasi ein Prequel, erzählt er doch von den jungen Jahren Ip Mans, als dieser selbst noch ein Schüler war, und „Ip Man: The Final Fight“ versucht in knapp 100 Minuten hineinzupressen, wofür Wilson Yip zwei ganze Spielfilme benötigt.

Doch es ist nicht nur die Tatsache, dass sich die Verantwortlichen offensichtlich genügend Zeit nehmen wollten, um dem ereignisreichen Leben Ip Mans mit ihrem filmischen Denkmal gerecht zu werden, sondern vor allem auch die Wahl des Hauptdarstellers, die dafür verantwortlich zeichnet, dass diese Filmreihe in keiner Martial-Arts-Sammlung fehlen darf – auch wenn gerade der dritte Teil doch deutlich hinter seinen Vorgängern zurückbleibt.
Aber bleiben wir zunächst kurz bei Donnie Yen, der sich der Hercules-Aufgabe, Ip Man zu verkörpern, gestellt hat. Zwar ist Donnie Yen kein Neuling was die Kampfkunst betrifft, wie so viele Martial-Arts-Stars war er sogar vorher ein ganz normaler Kämpfer, bevor ihn sein Weg vor die Kamera führte, allerdings stellt die glaubhafte Verkörperung des Meisters einer Kampfsportart, in der man nicht seit Kindertagen ausgebildet wurde, nochmal eine ganz andere Herausforderung dar. Yens akribische Vorbereitungen im Vorfeld der Produktionen verfehlen dabei im fertigen Werk nicht ihre Wirkung – jede Bewegung scheint wie aus einem Guss und Yen leicht von der Hand zu gehen. Doch nicht nur die Kampfkunst betreffend scheint Yen den Nagel auf den Kopf getroffen zu haben, auch, was die Persönlichkeit Ip Mans anbelangt, dürfte Yen, wenn man den Berichten über Ip Man Glauben schenkt, eine beeindruckende Performance abgeliefert haben und nach wie vor abzuliefern – hier war die Entscheidung, Ip Mans ältesten Sohn als Berater hinzuzuziehen, sicher Gold wert.
Gerade die ruhige, nach Gerechtigkeit strebende Gestalt des großen Meisters, ist hier kein bloßes Klischeefeuerwerk, sondern wirkt stets organisch gewachsen. Das liegt vor allem daran, dass der Zuschauer viele Facetten dieser Persönlichkeit zu sehen bekommt, sei es den liebenden Familienvater, den taktierenden Kämpfer oder den verängstigten Flüchtling, es sind diese vielen kleinen Eindrücke, die für den Zuschauer den Menschen hinter der Legende greifbar machen.
Klar, ein wenig überbordende Heldenverehrung lässt sich natürlich nicht ganz vermeiden und auch nicht bestreiten, aber ebenso wie bei anderen Biopics, zum Beispiel „Ali“ mit Will Smith, kann man diese Prise Pathos ohne Probleme verkraften, wurzelt sie doch in echter, tief empfundener Ehrerbietung für den Porträtierten.

An dieser Stelle sei übrigens auch darauf hingewiesen, dass sich die Verantwortlichen, wie bei so gut wie jedem Film dieses Genres, durchaus einige Freiheiten herausgenommen haben, und manche Ereignisse in Ip Mans Leben entweder vollkommen unerwähnt lassen, seine Zeit als Ermittler für die Polizei wird zum Beispiel nicht einmal angedeutet, etwas anpassen, so wie das Alter seines Sohnes im ersten Film, oder auch aus Gründen der Dramaturgie ein wenig aufbauschen, so wie die zahlreichen Kämpfe gegen etliche Kontrahenten gleichzeitig. Gerade mit dem dritten Teil verwischen die Grenzen zwischen Realität und Fiktion zusehends, weshalb der Film auch von seiner Tonalität und Figurenzeichnung her nicht mehr so recht zu seinen Vorgängern passen will.

Doch wie so oft sind es nicht die kleinen Schwächen, die uns immer wieder zu einem Film zurückkehren lassen, sondern die Gefühle, die in einem wachgerufene werden, die Faszination, die uns bei manchen Szenen den Atem raubt, und der Zauber, der einen für ein paar Stunden in eine fremde Welt entführt – insofern ist Wilson Yip mit dieser Filmreihe gelungen, wonach sich Freunde der Kampfkunst und der Filmkunst  gleichermaßen seit den späten Siebzigern gesehnt hatten: Ein filmischen Denkmal, dass der Legende Ip Man gerecht wird. Bleibt nur noch zu hoffen, dass das Team die Saga mit dem vierten Teil zu einem runden und befriedigenden Ende bringen wird.

Quellen:

5 Gedanken zu “Die „Ip Man“-Reihe: Ein filmisches Denkmal für eine Legende

  1. Die Ip Man Reihe will ich mir auch schon seit langer Zeit mal anschauen. Ich bin ja immer wieder ein wenig erstaunt, wie viele Filme es da mittlerweile gibt.

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  3. Oh ich wusste ja gar nicht, dass der auf einer wahren Figur beruht 🙂 Habe jetzt noch mehr Lust auf die Filme bekommen und fühle mich doch ziemlich angesprochen, vielleicht wird der ja ein guter Einstieg für mich

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    • Wenn du mit dem Genre noch nicht so vertraut bist, ist es tatsächlich ein ziemlich guter Einstieg weil er noch sehr viel Story bietet, die ansonsten bei vielen Martial Arts Filmen eher in den Hintergrund rückt.

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