Klappe-Auf: Wir schauen gemeinsam „Barbarella“ (1968)

Für die Juli-Ausgabe hatten wir uns recht schnell auf das Thema „Frauen im Film“ geeinigt. Ich hielt es daher sofort für eine ganz ausgezeichnete Idee, den Science-Fiction-Klassiker „Barbarella“ etwas näher unter die Lupe zu nehmen. Meine Euphorie wurde im Klappe!-Team allerdings nur sehr zurückhaltend geteilt, zumal der Film doch schon ein paar Jahre auf dem Buckel hat und in so mancher Hinsicht nicht mehr auf der Höhe der Zeit ist. Wir haben jedoch alle Vorbehalte zurückgestellt und sind gemeinsam auf eine bunte und teils sehr fordernde Reise ins All gegangen. Egal, ob in einem Raumschiff, auf dem Schlitten oder beflügelt durch einen Engel, Barbarella hat uns bis zum Schluss auf Trab gehalten, was nicht nur an den skurrilen Fahrzeugen lag. Am Ende haben sich dann aber doch ein paar Fragen zum Film ergeben, die wir aus unserer ganz persönlichen Sicht beantworten:

1.) „Barbarella“ wurde zu seiner Zeit durchaus auch als feministischer Film wahrgenommen. Konnte sich dieser Ansatz auch in das Jahr 2022 retten?

Ainu: “Feministisch” wäre wohl eindeutig ein zu starkes Wort. Dafür muss Barbarella viel zu oft von Männern gerettet werden oder gibt sich denjenigen hin. Dass es aber durchaus beachtlich ist, in einem Science-Fiction-Film aus den späten 60ern eine weibliche Hauptfigur, ebenso wie eine weibliche Oberschurkin zu sehen (die gemeinsam am Ende dann doch auch tatsächlich den Tag retten), lässt sich eben auch nicht von der Hand weisen.  

Wermi: Also nach heutigen Gesichtspunkten wäre es durchaus problematisch, den Film als feministisch zu bezeichnen. Im Grunde stolpert Barbarella von einer ausweglosen Lage in die nächste und wird dabei jedes Mal von Männern gerettet, die sich mit Sex vergüten lassen. Das scheint offensichtlich das Einzige zu sein, was sie zu bieten hat. Der Film ist allerdings auch eindeutig ein Kind seiner Zeit, in der Feminismus im Film gerade an seinem Anfang stand und eine sexuelle Revolution sich während der Hippie-Bewegung in ihrer Hochphase befanden. Was also zumindest die Enttabuisierung von Sex angeht, war er sicher ein großer Vorreiter. Immerhin kann man ihm zu Gute halten, dass er bereits weit vor “Alien” (1979) eine Frau zur Hauptfigur eines Science-Fiction-Films gemacht und sie ins All geschickt hat. Außerdem würde er den Bechdel-Test wohl auch bestehen, doch dürfte das schon lange nicht mehr den heutigen Ansprüchen genügen.

Steffelowski: 1968 war ja weltweit eine Zeit des Aufruhrs. In allen gesellschaftlichen Bereichen wurden Dinge ausprobiert und Grenzen neu ausgelotet. Insbesondere das Medium Film hat deutliche Akzente gesetzt, wenn es darum ging, sich verändernde Strukturen und Rollenbilder in der Gesellschaft auf der Leinwand zu zeigen. Eine weibliche Hauptperson, die sich gegen den (männlichen) Schurken so konsequent behauptet, war damals etwas Neues und hatte ganz sicher einen feministischen Ansatz. Allerdings setzt Barbarella zur Erreichung ihrer Ziele allzu naiv auf die üblichen „Waffen der Frau“, womit der Gedanke von einer starken und selbstbewussten Frau wiederum komplett unterlaufen wird. Da bleibt von „Female Empowerment“ nach der heutigen Definition nicht viel übrig. Aber so weit war man damals eben auch noch nicht. Gut gedacht, aber in der Ausführung dann eher ein wenig altbacken. 

2.) Welche Änderungen würde man im Film (losgelöst von Tricktechnik, Effekten etc.) vornehmen, wenn man 2022 ein „Barbarella“-Remake auf die Kinoleinwand bringen wollte?

Ainu: Ich meine, man müsste schon wirklich sehr viel an der Story verändern, um sie nach heutigen Gesichtspunkten auf die Kinoleinwand bringen zu können. Die Frage wäre dann allerdings, ob das dann noch “Barbarella” wäre. Und wenn sich einmal diese Frage stellt, dann stellt sich zwangsläufig gleich die nächste Frage, nämlich die nach der Sinnhaftigkeit und dem Nutzen eines solchen Remakes. Manche Stoffe kann man doch auch einfach in den Annalen der Filmgeschichte ruhen lassen. 

Wermi: Also ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, wie man heute einen solchen Stoff wiederverwenden könnte. Im Grunde müsste eigentlich alles komplett verändert werden – Figuren, Handlung, World-Building, Erotikszenen – sodass ein “Remake” kaum mehr was mit dem Original gemeinsam hätte, außer dass die Hauptfigur denselben Namen übernimmt.

Steffelowski: Die meist nicht eben subtilen sexuellen Andeutungen in Wort und Bild waren 1968 bestimmt noch ein Aufreger für das Publikum. Mir ging das schnell ziemlich auf die Nerven. In einem Remake würde man sich heutzutage da ganz sicher etwas mehr zurücknehmen. Außerdem würde ich mir bei einer Neuverfilmung doch etwas mehr Plot-Finesse wünschen. Die Geschichte des Originals kommt recht simpel und episodenhaft daher.

3.) Wie hat dir der Film insgesamt gefallen? Welche Erwartungen hattest du und wurden sie erfüllt?

Ainu: Ich konnte mich dunkel daran der erinnern den Film einmal so halb, spät in der Nacht mit meinem Bruder gesehen zu haben – entweder auf Kabel 1 oder Tele 5 oder so. Ich hatte also noch so eine ungefähre Ahnung, was mich erwarten würde, und was soll ich sagen, ich habe am Ende auch genau das bekommen: trashige, aber dadurch auch lustige Science-Fiction aus den 60ern (mit allem, was da so dazugehört).

Wermi: Nachdem der Filmvorschlag von Steffelowski kam, ich (wie üblich) noch nie zuvor etwas von dem Film gehört hatte und aus der Wikipedia-Beschreibung hervorging, dass es sich um die Figur Barbarella dreht, die durch die Galaxis reist und vorallem erotische Abenteuer erlebt, hätten die Erwartungen wohl kaum weiter heruntergeschraubt werden können. Dafür muss ich jedoch zugeben, dass ich mich über viele unfreiwillig (?) komischen Szenen doch auch sehr amüsiert habe. Zwar war er weder visuell, noch inhaltlich besonders unterhaltsam oder anspruchsvoll, doch das Aufeinanderfolgen von mehreren skurrilen Situationen konnte irgendwie seine ganz eigene Faszination ausüben. Es fällt mir sehr schwer zu sagen wie der Film mir letztendlich gefallen hat oder wo ich ihn einordnen würde, dazu muss ich auf jeden Fall noch ein wenig Zeit vergehen lassen und das Gesehene verarbeiten.

Steffelowski: Ich war immer ein Fan des Films der 1960er-Jahre. Bunt, laut und (fast) immer für eine Überraschung gut. Ich habe bei „Barbarella“ genau das bekommen, was ich erwartet habe. Kurzweilige Unterhaltung mit schrägen Typen, wackeligen Kulissen und einer noch liebevoll von Hand gemachten Tricktechnik, wie sie den Modellbauverein Buxtehude nicht besser hätte machen können. Und sogar ein bisschen „Botschaft“ gab es auch noch. Was kann ich mehr aus einem Film mitnehmen als „All you need is Love“?

4.) Was ist dir bei dem Film besonders aufgefallen? Wo hatte der Film seine Stärken? Wo seine Schwächen?

Ainu: Stärken sehe ich eindeutig bei Jane Fonda als titelgebende Heldin. Sie scheint ganz genau zu wissen, dass sie gerade nicht in einem Meisterwerk mitwirkt und legt ihre deswegen so herrlich kokett an, dass manche Szene beinahe schon Comedy-Gold werden. Außerdem, und das sage ich als Frau, muss man schon mal sagen, dass die Frau damals wie heute einfach wirklich gut ausschaut. Tatsächlich fand ich auch die Kulissen eigentlich ganz gelunge. Natürlich, mit heutigen Filmen des Genres ist das nicht vergleichbar, aber für die damalige Zeit doch recht gelungen und kreativ mit den Möglichkeiten gespielt. Die Schwächen sehe ich dafür bei einem eher mauern Drehbuch und den meisten Nebendarstellern (offensichtlich ist das Budget für diesen Posten vollends für Frau Fonda ausgegeben worden).

Steffelowski: Der Film vermengt gekonnt Sci-Fi, Komödie und Sexklamotte, wobei letzteres sich eher auf der verbalen als auf der optischen Ebene abspielt. Der Genre-Mix ist überaus unterhaltsam, aber nie billig oder peinlich. Die Charaktere, hier erkennt man die Comic-Herkunft des Films, sind nicht eben tiefgründig, aber immer herrlich anders und wunderbar spleenig. Einziger Schwachpunkt des Films war für mich die Figur der Schwarzen Königin.  Da war mir die überzeichnete Sadomaso Attitüde etwas zu dick aufgetragen. 

Wermi: Also am auffälligsten fand ich, dass ich zu keiner Zeit so richtig feststellen konnte, ob sich der Film und alle Beteiligten auch wirklich ganz unironisch ernst genommen haben oder ob sich alle über den Trash-Faktor bewusst waren. Die Handlung und die Charakterzeichnung der Figuren sind klare Schwachpunkte, aber daraus versucht der Film auch nicht wirklich ein Geheimnis draus zu machen. Daher würde ich wirklich sagen, dass es seine größte Stärke ist, wie gnadenlos er sein Ding durchzieht und keine Rücksicht vor Verlusten macht. Anders wie Steffelowski finde ich schon, dass das Gezeigte billig und peinlich wirkt, aber weil man das Gefühl hat, dass alle Beteiligten voll und ganz hinter dem Film standen, verleiht es ihm irgendwie seinen ganz eigenen Charme.

5.) Würdest du „Barbarella“ als gelungenen Sci-Fi Film an Fans des Genres weiterempfehlen?

Ainu: Jungen Fans des heutigen Science-Fiction-Genres? Nein, eigentlich nicht. Fans von guten alten Trashfilmen? Auf jeden Fall.

Wermi: Ich würde ihn auf jeden Fall Fans von Trashfilmen empfehlen, denn die besten Trashfilme sind die, die eigentlich nicht krampfhaft versuchen trashig zu sein. Was Fans von Science-Fiction angeht, die werden hier meiner Meinung nach überhaupt nicht auf ihre Kosten kommen, denn dafür fehlt der Science-Fiction hier der nötige Tiefgang. Das Genre dient dem Film vielmehr dazu, einen Vorwand für skurrile Kostüme und Situationen zu liefern.

Steffelowski: Ganz klare Empfehlung an alle Fans von Science-Fiction Filmen, die den trashigen Charme von Produktionen, die mit wenig Geld, aber viel Liebe gemacht sind, zu schätzen wissen. 

6.) Welche Szene hat dich besonders nachhaltig beeindruckt, oder aber doch eher zum Schmunzeln gebracht, da sie unfreiwillig komisch war?

Ainu: Ich mein, ganz ehrlich, keiner der den Film einmal gesehen hat, wird die Szene vergessen, in der Barbarella zu Tode “georgelt” werden soll (nähere Infos findet ihr bei Kollege Steffelowskis Antwort ein bisschen weiter unten).

Aber auch die Anfangssequenz, als sich unsere Heldin langsam in scheinbarer Schwerelosigkeit aus einem Raumanzug schält bleibt im Gedächtnis. 

Ach ja, die Mörderpuppen, die sie offenbar zu Tode beißen wollten, dürfen hier natürlich auch nicht fehlen (Chucky lässt grüßen).

Wermi: Also der Film hat definitiv einige zitierwürdige One-Liner, Dialoge oder Szenen, die es alle mit einem Augenzwinkern zu betrachten gilt. Gleich zu Anfang gibt es einen Dialog nachdem Barbarella von Mark Hand gerettet wird, der einem gleich klarmacht, in welche Richtung der Film geht:

Barbarella: I’m so grateful for what you’ve done, I hardly know how to begin to thank you. I’m positive I could get you some sort of recompense from my government. I mean if there’s anything you need or that I can do, please tell me.
Mark Hand: Well, you could let me make love to you.

Oder wie wärs mit dem nackten Engel Pygar, dessen Namen Barbarella gefühlt zehntausendmal während des Films schreit und der bloß ganz cool entgegnet: An angel does not make love, an angel is love.

Oh und für die Erotikfans unter euch, macht euch gefasst auf die Szene, in der Barbarella mit einem schüchternen Rebellen sogenannte “Verzückungspillen” einschmeißt und mit ihm durch das bloße Aneinanderhalten der Handflächen wilden Sex simuliert.

Steffelowski: Absolutes Highlight des Films ist für mich der „Endkampf“ Barbarellas gegen die von ihrem fiesen Widersacher, Durand Durand, entworfene Lustmaschine, dem sogenannten „Orgasmatron“. Diese Apparatur, einer Orgel nachempfunden, tötet sein Opfer durch eine Überdosis an Lust. Aber die Heldin schafft es, die Maschine durch ihre sehr eigene Art der Selbstverteidigung zur Explosion zu bringen. Wunderbar verrückt.

Insgesamt gab es natürlich immer wieder Momente, die mich grinsen ließen, was zumeist an den doch sehr simplen „Spezial“ Effekten des Films lag.

7 Gedanken zu “Klappe-Auf: Wir schauen gemeinsam „Barbarella“ (1968)

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