Samstagmittag, 13:30 Uhr. Das war für mich ein fester und schon fast heiliger Termin. Nein, um die Bundesliga-Übertragung am Nachmittag ging es natürlich nicht. Die interessierte mich damals wie heute auch nicht sonderlich. Meine Helden standen nicht im Fußball Stadion, sondern fanden sich an jedem Samstag auf der Leinwand des Programmkinos im Nachbarstadtteil ein. Sie hießen u. a. „Der müde Joe“, „Rhodan“, „Kommissar X“ oder „Maciste“. Und die Filme, in denen sie (und so viele andere) auftraten, waren meistens genauso spektakulär wie die Titel, die sie trugen: „Die rechte und die linke Hand des Teufels“, „Frankensteins Monster jagen Godzillas Sohn“, „Der Tod im roten Jaguar“ oder „Der Polyp – Die Bestie mit den Todesarmen“. Und dann gab es natürlich noch „Das Schwert des gelben Tigers“.
Wenn ein Film mit dem Slogan „Ein Film wie ein Prankenhieb“ beworben wird, weiß der geneigte Kinogänger natürlich sofort, dass bei „Das Schwert des gelben Tigers“ echte Profis am Werk waren, zumindest, was das Marketing angeht. Immerhin war hier – der Film erschien 1973 bei uns – zum ersten Mal ein chinesischer Film in deutschen Kinos zu sehen. Damals also eine echte Kuriosität. Gleichzeitig leitete dieser erste „Eastern“ (eine Namensschöpfung der westlichen Presse, in Anlehnung an den „Western“) eine riesige Welle von Filmen ähnlicher Rezeptur ein, die die ganze Welt erfassen sollte. Erst in den späten 1970er-Jahren verebbte die Sturmflut aus Fernost wieder, nachdem die Filme immer billiger produziert und die ohnehin schon dünnen Plots immer und immer wieder von Neuem erzählt wurden. Erst rund 20 Jahre später brach ein neuer (filmischer) Sturm aus dem Reich der Mitte los. Aber das ist dann eine ganz andere Geschichte.
„Das Schwert des gelben Tigers“ ist einer der ganz großen Schwertkämpfer-Filme, der in der Folgezeit immer wieder kopiert wurde. Allerdings war er selbst schon das Remake eines Remakes, dessen Original aus dem Jahr 1967 stammt. In ihrem Herkunftsland China hatten derartige Streifen bereits seit den 1930er-Jahre ihren Einzug in die dortigen Kinos gehalten. Die Geschichten von tapferen Rittern, die ihre Konflikte meist erfolgreich mit dem Schwert zu lösen wussten, waren in der chinesischen Kultur jedoch schon einige Jahrhunderte vor der Erfindung des Mediums Film tief verwurzelt. Für den Rest der Welt wurde dies jedoch komplett ignoriert. Produktionsfirma, Die Produktionsfirma, Shaw Brothers, setzte von Anfang an viel mehr auf spektakulär inszenierte Kampfszenen und einen hohen Body Count, als auf ausgefeilte Plots und tiefgehende Charakterzeichnungen der Figuren in ihren Filmen.
Zur Handlung: Der Schwertkämpfer Lei Li (David Chiang) unterliegt im Zweikampf Lung, seines Zeichens Schurke vom Dienst und Herrscher über die Drachenburg, einer Art Kulturverein für Bösewichte und Treffpunkt für schräge Vögel jeglicher Couleur. Li ist nach seiner Niederlage ziemlich arm dran, obwohl ein Arm ab ist. Nämlich der, den er sich selbst (!) mit dem eigenen Schwert abschlagen musste, um seinen Wetteinsatz bei dem Duell mit Lung einzulösen. Gleichzeitig schwört Li, nie wieder zu kämpfen. Als Kinogänger weiß man natürlich um die Halbwertszeit einer solchen Aussage. Auftritt nächster Schwertkämpfer: Feng (Ti Lung) will, aus im Film nicht eindeutig erläuterten Gründen, den Machenschaften auf der Drachenburg auf den Grund gehen. Auf dem Weg dorthin lernt er den inzwischen in einer Gaststätte arbeitenden Lei Li kennen und beide Männer freunden sich an. Dass sich hier etwas mehr als nur eine Freundschaft anbahnt, wird ganz leise angedeutet, aber natürlich nie näher thematisiert und bleibt somit der Interpretation des Zuschauers überlassen. Feng sucht Lung in der Drachenburg auf, wird dort aber in eine Falle gelockt und brutal getötet. Als Li vom Tode seines Freundes erfährt, schwört er blutige Rache und wirft somit rasch seinen Vorsatz, kampflos durchs Leben zu schreiten, über Bord. Es kommt zu einer spektakulären Schlacht, in deren Verlauf Li zunächst die gesamte Schurkenbande Lungs und am Ende diesen selbst bezwingen kann.
Der Plot klingt nicht grad nach begnadetem Storytelling, was aber ganz sicher auch nicht beabsichtigt war. Was mich aber auch viele Jahre, nachdem ich den Film das erste Mal gesehen habe, von Neuem zutiefst beeindruckt hat, sind die mitreißend inszenierten Kampf- und Fechtszenen. Sicher, auch hier ist vieles wenig glaubhaft und noch nicht so perfekt und hochwertig choreografiert, wie z.B. in „House of Flying Daggers“, aber man erkennt in jeder Einstellung, dass die Effekte noch liebevoll von Hand gemacht sind. Da stört es nur bedingt, wenn man an einigen Stellen ziemlich deutlich die Drähte erkennt, an denen die Schauspieler hängen, wenn sie zu ihren gekonnten Sprüngen ansetzen. Diese erwecken dann beim Zuschauer zwar eher den Eindruck, als wäre das Fliegen im alten China eine durchaus weit verbreitete Art der Fortbewegung, sieht aber dennoch toll aus. Auch sollte man nicht versuchen zu hinterfragen, wie es ein Mann schafft, rund 200 Soldaten im Alleingang zu massakrieren, nur bewaffnet mit einem Schwert. Die tatsächliche Zahl der Angreifer reduziert sich beim genaueren Hinsehen allerdings dahin gehend, dass es offenbar immer die gleichen 20 Stuntmen/Statisten sind, die auf Lei Li losgehen. Da spielt der Umstand, dass unser tapferer Kämpfer nur einen Arm hat, keine so große Rolle mehr. Er erledigt seine Gegner im wahrsten Sinne des Wortes „mit links“.
„Das Schwert des gelben Tigers“ ist schon ein ganz besonderes Schmankerl für die Freunde des gehobenen Trash-Kinos. Wenn man ihn heute sieht (derzeit kostenlos auf Amazon Prime verfügbar) merkt man natürlich sofort, dass der Film in seiner ganzen Machart, insbesondere, was die Tricktechnik angeht, nicht mehr State of the Art ist. Aber er hat sich auf jeden Fall seinen ganz besonderen Charme erhalten.