Die Fußball-Weltmeisterschaft 1974, ausgetragen in Deutschland, ist das erste große Turnier dieser Art, an das ich mich, zumindest vage, erinnern kann. Es war ein schöner Sommer und ich verbrachte die meiste Zeit lieber draußen im Freien als vor dem Fernseher. Hinzu kam, dass längst nicht alle Spiele live gezeigt wurden. Gerade einmal 18 von insgesamt 38 Spielen wurden via Satellit übertragen, größtenteils mit recht schwankender Bild- und Tonqualität. Und einen Fernseher, ganz zu schweigen von einem Farb-TV, hatte auch noch nicht jeder.
Das nicht unbedingt als Fußballnation bekannte Schweden hatte sich zwar souverän für die WM qualifizieren können, war aber letztlich nicht mehr als ein Außenseiter. Auch wenn das Team in der Gruppenrunde durchaus gute Spiele ablieferte, reichte es bei Weitem nicht für das Endspiel. Was war hier schiefgelaufen? War es das Klima, das den Spieler zu schaffen machte, oder war es das gruselige WM-Maskottchen-Duo Tip und Tap, das die Nordmänner in Angst und Schrecken, vielleicht sogar in eine Art Schockstarre versetzt hatte. Möglich, aber nicht wahrscheinlich. Nein, der Grund war viel einfacher und war aber dennoch ausschlaggebend dafür, dass am Ende Johan Cruyff mit den Oranjes gegen die deutsche Nationalelf verlor. Die Schweden hatten ganz einfach ihren besten Spieler zu Hause gelassen. Mit Fimpen im Team, hätte alles anders ausgehen können.
Fimpen ist klein, schnell und kann mit dem Ball umgehen. Er schießt mit dem linken oder rechten Fuß, gibt nie auf und stellt sich jedem Zweikampf. Fimpen ist sechs Jahre alt, hat Schuhgröße 26 und nimmt auch gern die Trikots seiner Mannschaftskameraden nach dem Training mit, damit die Mutti sie zu Hause wäscht und auch den Weichspüler für das behagliche Tragegefühl nicht vergisst.
Ja, aber leider existiert der quirlige Ausnahmekicker nur als Filmcharakter, in der Komödie „Fimpen, der Knirps“. Fimpen hat nie in der schwedischen Liga oder gar in der Nationalmannschaft gespielt. Er hätte es sicher weit gebracht, wenn es ihn denn gegeben hätte. Der kleine Film, von dem ich nicht mal sicher bin, ob er in Deutschland überhaupt jemals im Kino lief, ist einer dieser Streifen, die ich wirklich ins Herz geschlossen habe.
Fimpen lebt in einer Neubausiedlung irgendwo am Rand von Stockholm. Eher ein sozialer Brennpunkt als gutbürgerliches Umfeld. Warum grad hier die Freundin und Verlobte des schwedischen Stürmerstars und Nationalspieler MacKan lebt, wird im Film nicht näher thematisiert. Heutzutage käme so eine Spielerfrau ganz sicher aus der Modellszene oder wäre (nach eigener Aussage) Influencerin, TV-Moderatorin oder Schmuckdesignerin. Als also MacKan durch die Wohnsiedlung auf dem Weg zu seiner Angebeteten ist, kommt er an einem Bolzplatz vorbei, auf dem Fimpen mit ein paar Freunden kickt. Ein verschossener Ball wird vom Profifußballer gekonnt gestoppt und er will daraufhin den Kids eine Kostprobe seines überragenden Könnens geben. Zu seiner Verblüffung dauert es aber nur ein paar Sekunden, bis Fimpen den Ball zurückerobern kann und den Profi ziemlich blamiert; ihn (von mir angelesener Fachjargon) „nass macht“. Die Schmach sitz so tief, dass MacKan in eine Art Trauma verfällt, das ihn mehr oder weniger spiel unfähig macht. Als sein Vereinstrainer die Ursache für das Formtief seines Stars erfährt, nimmt er Fimpen sofort beim Hammarby IF unter Vertrag und in die Ligamannschaft auf. Im Schweden der 1970er-Jahre war es demnach ohne Weiteres möglich, gültige Verträge mit Minderjährigen abzuschließen. In Sverige war man ja schon immer sehr liberal und offen. Wie nicht anders zu erwarten, wird Fimpen sofort zur großen Nummer der Mannschaft, die ab sofort jedes Spiel gewinnt. Zwischendurch gib das kleine Fußball-Wunderkind Fernsehinterviews und reist mit der Mannschaft durchs Land. Dass dies natürlich dazu führt, dass die Schule eher ein immer seltener besuchter Ort wird, liegt auf der Hand. Da kann das Bildungssystem noch so fortschrittlich sein. Schafft es Fimpen überhaupt einmal in die Schule, ist er zu spät oder er schläft im Unterricht ein. Seine Lehrerin ist als verantwortungsvolle Pädagogin natürlich zutiefst besorgt, kann aber nicht zu dem Jungen durchdringen. Mengenlehre und Schönschrift versus Falsche Neun und Tiki-Taka. Ein Kampf, bei dem für Fimpen der Sieger schon von vornherein feststeht.
Mit dem neuen Tausendsassa in der Mannschaft gelingt dem Team einfach alles. Und während der zutiefst traumatisierte MacKan immer weiter abrutscht und schon lange nicht mehr aufgestellt wird, marschiert Fimpens Team in der Tabelle immer weiter nach oben. Dies bleibt natürlich auch dem schwedischen Fußball-Nationaltrainer nicht verborgen, der Fimpen in die „Tre Kronor“, welches der Spitzname der schwedischen Nationalmannschaft ist, beruft. Und auch hier kann Fimpen sofort wie eine Bombe einschlagen und in den Qualifikationsspielen für die WM in Deutschland die wichtigen Treffer landen und seinem Heimatland die Fahrkarte zum Turnier sichern. Doch plötzlich und ohne nähere Begründung wird der kleine Junge von einem schlechten Gewissen gepackt. Wie heißt es so schön in dem Kinderlied Klassiker „Hänschen Klein“ im zweiten Vers „Da besinnt sich das Kind, eilt nach Haus‘ geschwind“. Die Nationalmannschaft nimmt also ohne ihren Goalgetter am Turnier teil, Fimpen geht wieder in die Schule und lernt brav. Etwas, was auch heutzutage ganz sicher für so manchen Profifußballer die bessere Karriereentscheidung wäre. Aber man steckt eben nicht immer so drin.
Auch wenn das etwas abrupte und nicht hergeleitete Ende des Films mich doch sehr überrascht und ein wenig enttäuscht haben, mag ich ihn sehr. Ich habe mich daher ungemein darüber gefreut, dass wir uns für die Februar-Ausgabe unseres Magazins auf das Thema Sportfilme verständigt haben und ich dieses etwas absonderliche Kleinod der schwedischen Filmkunst hier vorstellen kann. Was mir an dem Film gefällt, ist zum einen seine verrückte Ausgangslage. Ein kleiner Junge spielt so gut Fußball, dass er zunächst in die 1. Liga der Profis und später sogar in die Nationalmannschaft seines Landes aufgenommen wird. Ein Traum, den vermutlich die allermeisten Jungen (und inzwischen wohl auch immer mehr Mädchen) mal geträumt haben. Eine absolut irre Vorstellung, und vielleicht gerade deshalb für Viele so leicht nachvollziehbar. Ein weiterer Aspekt an „Fimpen – Der Knirps“ der mich sehr anspricht, ist der laienhafte Charme, den der Film ausstrahlt. Professionelle Schauspieler gibt es in diesem Streifen so gut wie keine. Alle Fußballer (bis auf den fiktiven Charakter des MacKan), werden von echten Kickern aus der schwedischen Liga gespielt, auch wenn das oftmals recht hölzern wirkt und man den „Darstellern“ ihre Aufregung meist deutlich anmerkt, hat das etwas ganz Besonderes. Sicherlich kein Film, der jeden anspricht. Dennoch sollte man, wenn er einem einmal über den Weg läuft, einen Blick riskieren. Es lohnt sich.
Ist da ein Teil vom Text nicht eingefügt worden?
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Huch, danke für den Hinweis. Wo könnte denn da etwas fehlen?
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War wohl ein Anzeigefheler, bei mir wurde nur die Einleitung angezeigt. Dafür fehlt nun der Artikel über die Sportdokus, überhaupt waren es nur drei Artikel.
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Jetzt sind es wieder sechs Artikel, offenkundig spinnt WordPress rum.
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Hm, die liebe Technik… Immer gerne mal ein Aufreger. Leider. Hauptsache, du kannst jetzt alles sehen 😊
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