Die Zeiger einer Uhr stehen beinahe auf Zwölf. In mehreren abwechselnden Totalen sieht man zwei Augenpaare, die sich grimmig niederstarren. Der ersten Glockenschlag. Ein Schuss. Und einer der beiden Kontrahenten geht zu Boden. Ein Krimi, das breite Spektrum der menschlichen Seele, der Nervenkitzel des scheinbar Unausweichlichen – das alles und im besten Fall sogar noch viel mehr hat ein guter Western zu bieten. So fanden wir es nach zwei Jahren, die es dieses Magazin nun bereits schon gibt, mehr als seltsam, dass wir diesem doch sehr beliebten Filmgenre bisher noch keine eigene Ausgabe gewidmet haben. Ein Versäumnis, welches wir hiermit endlich nachzuholen gedenken. Doch seid gewarnt, diesmal befanden sich zwei regelrechte Grünschnäbel das Gerne betreffend im Team, was wohl auch die für viele Fans wahrscheinlich etwas eigen anmutende finale “Loveful 8”-Liste erklären dürfte. An den imaginären Galgen dürft ihr uns deswegen wie immer in den Kommentaren bringen.
12 Uhr mittags (1952)
John Wayne mochte „High Noon“ (Originaltitel) nicht. Der Film sei „Unamerikanisch“, urteilte er. Hier irrte „Der Duke“ aber gewaltig. „High Noon“ wurde zum Kassenhit und zählt noch immer zu den ganz großen Western. Es ist eine Art Lehrstunde in Zivilcourage, wenn sich Sheriff Kane (Gary Cooper) allein gegen eine Bande von Mördern stellen muss, da ihn alle Freunde aus Angst vor der Bande in Stich gelassen haben. Kane weiß, dass er den Kampf vermutlich nicht gewinnen kann; sein Gewissen lässt ihm jedoch keine andere Wahl. Was den Film neben der spannenden Geschichte auszeichnet, ist der besondere Kniff, dass das Ganze fast in Echtzeit erzählt wird. So werden Kanes Versuche, Verbündete zu finden, während der Zug, in dem sich der Oberschurke dem Ort nähert, auch für den Zuschauer zu einem nervenaufreibenden Rennen gegen die Zeit.
The Ballad of Buster Scruggs (2018)
Was ist besser als ein Western? Sechs Western! So oder so ähnlich könnte der Gedankengang hinter diesem Episodenfilm gewesen sein, der viele unterschiedliche Facetten seines Genres anspricht, die hier mit interessanten Ansätzen und in Kurzform abgehandelt werden. Man bekommt einen Showdown, einen Bankraub, einen Goldgräber und noch vieles mehr. Hier dürfte etwas für jeden dabei sein und so kann man sich nach Lust und Laune die Episoden herauspicken, die einem am besten gefallen. Im Grunde handelt es sich hierbei um ein Märchenbuch über Geschichten des wilden Westens. Und was bei Märchen natürlich nicht fehlen darf, sind skurrile Figuren, wofür die Coen-Brüder nunmal prädestiniert sind.
Django Unchained (2012)
Eines steht fest, wenn man sich die Filme von Tarantino anschaut: der Mann steht selber sehr auf Filme. Wenn man sich seine Western ansieht, weiß man außerdem, dass dies wohl eines seiner Lieblingsgenres sein muss. So strotzen seine diesbezüglichen Filme denn auch vor Anspielungen und Referenzen. Aber es wäre nicht Tarantino, wenn er dem Ganzen nicht seine ganz eigene Handschrift verpassen würde. Etwas wortgewandter, blutiger und abgedrehter darf es da dann schon sein. So finden sich hier Ku Klux Klan Mitglieder, die sich über die Fehlkonstruktion von Masken streiten, eine Kopfgeldjäger, der mit einem überdimensionalen Zahn auf seinem Wagen herumfährt, der allerdings eine explosive Überraschung in sich trägt, und ein Schwarzer, der vom Sklaven zum Kopfgeldjäger aufsteigt und schließlich seine Angebetete rettet, bevor er eine herrschaftliche Villa in die Luft sprengt. Hört sich alles ziemlich irre an? Ist es auch – aber auch verdammt genial.
The Hateful Eight (2015)
Während Tarantino in Django Unchained sich noch vermehrt darauf konzentrierte, eine Hommage für eines seiner Lieblingsgenres zu entwerfen, ist sein Nachfolgefilm “The Hateful Eight” ein Western im klassischeren Sinne. Der Film ist deutlich entschleunigter, hat mit Morricone den perfekten Komponisten für die Filmmusik und lässt unterschiedlichste Westernhelden und Ganoven aufeinanderprallen. Dabei schafft er es aber auch, viele von Tarantinos Stärken auszuspielen und da verwundert es nicht, dass sich ein Kammerspiel entspinnt, welches in Struktur und Inhalt doch stark an “Reservoir Dogs” erinnert. Tarantino-typisch bekommen wir hier eigenartige Figuren geboten, die sich nur so die unterhaltsamen Dialoge um die Ohren hauen bis sich alles durch Drehungen und Wendungen zu einem großen Finale zuspitzt, in dem es wieder einmal komplett eskaliert.
The Salvation (2014)
Damit sind wir bei der womöglich größten Überraschung in unserer Liste angelangt. “The Salvation” ist ein dänischer Western – ja ihr habt richtig gehört – der sich jedoch keineswegs zu verstecken braucht. Der Film dürfte allemal für einige eine positive Überraschung bereithalten, denn die Dänen beweisen tatsächlich ein feines Gespür für den Western. Sicherlich wird hier inhaltlich das Rad auch nicht neu erfunden, schließlich geht es um einen ehemals friedlichen Siedler den Tod seiner Familie rächen will und damit das Fadenkreuz vieler Schurken auf sich zieht. Viel beeindruckender ist, mit welchem Selbstbewusstsein der Film gedreht wurde, denn die Sets sind toll, es geht hart zur Sache und die Inszenierung überzeugt durch ihr grobkörniges Bild und aufwendige Kamerafahrten. Dazu ist Mads Mikkelsen auch genau der richtige Mann für die verbitterte Hauptfigur, die es mit allen aufnehmen möchte, und Jeffrey Dean Morgan der ideale Gegenpart. Wer Lust auf einen beinharten Rachewestern hat, der ist mit diesem von vorne bis hinten runden Film gut beraten.
Todeszug nach Yuma (2007)
Es ist in der Filmwelt ja eigentlich fast schon verpönt, aber tatsächlich muss die Autorin dieser Zeilen gestehen, dass sie schon des öfteren das Remake dem Original vorgezogen hat – speziell wenn es sich um Western handelt. Vielleicht liegt es ja an der modernen Inszenierung und Kameraführung, vielleicht auch an den zumeist weniger gestelzt wirkenden Dialogen, aber immer wieder finden sich gute Beispiele dafür, dass ein Remake nicht immer eine schlechte Sache sein muss. Eines der besten ist sicherlich “Todeszug nach Yuma” mit Russell Crowe und Christian Bale in den Hauptrollen. Hier wird einem nämlich alles geboten, was so einen klassischen Western ausmacht – und noch mehr. Crowe und Bale spielen den galanten Ganoven und aufrichtigen Bürger dabei so gekonnt, bekommen so glänzende Dialogzeilen spendiert und dürfen in so hervorragend inszenierten Schusswechseln brillieren, dass einem am Ende beide gleichermaßen ans Herz wachsen. Und wenn man sich am Ende fragt, wer nun eigentlich der Gute und wer der Böse war, und ob es diese kleinkarierten Kategorien überhaupt gibt, oder ob nicht vielmehr in jedem von uns ein klein wenig von beidem steckt, dann weiß man, dass man gerade einen richtig guten Film gesehen hat.
Zwei Banditen (1969)
Mit Robert Redford (Sundance Kid) und Paul Newman (Butch Cassidy) hatte der Film einen der zugkräftigsten Casts am Start, den Hollywood in den späten 1960er-Jahren zu bieten hatte. Die charmante Gauner-Komödie im Gewand eines Spätwesterns, macht einfach Spaß und das liegt nicht nur an den Hauptdarstellern. Man merkt beiden in jeder Szene den Spaß an, den sie beim Dreh hatten. Die temporeiche Geschichte um die beiden (real existierenden) Zug- und Bankräuber ist spannend inszeniert und bietet viel Raum für einige wirklich lustige Szenen. Dennoch gibt es auch einige ruhigere Momente, in denen die innere Zerrissenheit der Protagonisten thematisiert wird. In die Filmgeschichte und in die Pop-Kultur ist der Streifen durch seine letzte Szene eingegangen, die aber hier natürlich nicht verraten wird.
Zwei glorreiche Halunken (1966)
Im ewigen Streit darum, ob nun „Spiel mir das Lied vom Tod“ oder „Il Buono, Il Brutto, Il Cattivo“ (Originaltitel) der beste Italowestern aller Zeiten ist, wird es nie eine Entscheidung geben. Wir haben uns für den Film entschieden, der das Ende und gleichzeitig den Höhepunkt der sogenannten „Dollar-Trilogie“ von Sergio Leone darstellt. Drei Halunken, jeder auf seine Art besonders, mit Gesichtern, wie sie nur der Spaghetti-Western auf die Leinwand bringen konnte, jagen einem, auf einem Friedhof versteckten, Vermögen nach. Hierbei wird nichts ausgelassen, um die anderen aufs Kreuz zu legen. Äußerst stimmungsvoll inszeniert, mit originellen Kameraperspektiven gespickt und einem Soundtrack, der zu den bekanntesten Filmmusiken der Kinogeschichte zählt. Das Finale auf dem Friedhof gehört zu den ganz großen Momenten, nicht nur des Westerns, sondern der Kinogeschichte insgesamt.
Das waren unsere Top Acht und wie immer gibt es natürlich zahlreiche Filme, die unseren Beitrag nur knapp verpasst haben. Checkt also unsere Letterboxd-Liste aus, um herauszufinden, um welche Filme es sich dabei noch alles handelt und diskutiert mit uns gerne in den Kommentaren, wo ihr uns zustimmt und falls euch ein Film in der Aufzählung fehlt, um welchen es sich dabei handelt!
Es fehlt auf jeden Fall, auch wenn er selbst hier immerhin erwähnt wurde, ein John Wayne Western. Sowas wie „The Man who shot Liberty Valance“ (mein liebster Wayne Western, weil er hier nicht ganz so ‚glatt gebügelt‘ daherkommt). Und ein Peckinpah geht auch immer. „The Wild Bunch“ fällt mir spontan ein…
LikeGefällt 1 Person
Ja, stimmt. Da hast du mit beidem recht. „The Wild Bunch“ wäre sicherlich noch erwähnenswert gewesen. Und die Western mit dem „gereiften“ John Wayne (so ab Mitte der 1950er-Jahre) waren ganz überwiegend gut, obwohl das Genre Western da seinen Zenit schon mehr oder weniger überschritten hatte.
LikeGefällt 1 Person