Filmvergleich (6): „Ziemlich Beste Freunde“ (2011) vs. „Mein Bester & Ich“ (2017)

Nach einer längeren Pause treten heute wieder einmal zwei Filme gegeneinander an, um im Kampf „Original vs. Remake“ darum zu streiten, welches das bessere Kinoerlebnis ist.  Die beiden Kontrahenten müssen in verschiedenen Kategorien ihre Stärke beweisen oder auch ihre Schwächen gnadenlos offenbaren. Bei diesem Clash wird schonungslos aufgedeckt, ob wir es mit einem Meisterwerk oder einem Rohrkrepierer zu tun haben. Als Ringrichter ist das Klappe!-Team im schweißtreibenden Einsatz, um mit Sachverstand und Augenmaß beide Filme auf Herz und Nieren zu prüfen

Es treffen aufeinander… in der weißen Ecke:

Das französische Original von 2011

Ziemlich beste Freunde (Intouchables)

Und in der schwarzen Ringecke lauert:

Das US-Remake von 2017

Mein Bester & Ich (The Upside)

Jetzt können beide Lager beweisen, was sie können und wer am Ende die Nase vorn hat. Los gehts:

Runde 1: Story und Plot

Ainu:

Natürlich folgen die beiden Filme den gleichen Plotpoints – nachdem sie auf derselben wahren Geschichte basieren, wäre es auch komisch, wenn nicht. Und doch merkt man bei einem genauen Vergleich dann doch ein paar Unterschiede. Hier bekommt die schwarze Hauptfigur nicht nur einen anderen Vornamen, sondern auch eine anderen Backstory spendiert, dort ist die weiße Hauptfigur (diesmal immerhin mit demselben Vornamen) ein bisschen anders angelegt. Ja, alle wichtigen Entwicklungen sind an ihrem Platz, aber der Weg dorthin gestaltet sich dann doch anders. So wirkt die amerikanische Version etwas zu gehetzt, schafft es nicht wirklich einem glaubhaft zu vermitteln, wieso diese beiden Männer nach so kurzer Zeit bereits eine so innige Freundschaft aufgebaut haben sollen und zusätzlich wird noch eine Liebesgeschichte hinzugedichtet, die kaum lauter “kitschiges Happy End im Anmarsch” brüllen könnte. Da gefällt mir das französische Original schon deutlich besser. Auch hier wirkt es aufgrund der überschaubaren Laufzeit natürlich alles ein wenig überstürzt, aber trotzdem kauft man hier den Figuren ab, dass sich zwischen ihnen eine innige Freundschaft entwickelt hat. Ganz allgemein wirkt das Original um einiges charmanter und leichtfüßiger, was gerade bei dem behandelten Thema ein großer Pluspunkt ist. Langer Rede kurzer Sinn: Hier bekommt für mich das Original den Punkt.

Steffelowski:

Um ehrlich zu sein, mochte ich beide Filme nicht sonderlich. Die Geschichte vom Underdog, der auf den reichen vergrämten Einzelgänger trifft und beide voneinander fürs Leben lernen, habe ich schon in den verschiedensten Versionen und Konstellationen gesehen. Davon waren viele Umsetzungen deutlich besser und unterhaltsamer als unsere beiden Kontrahenten. Im direkten Vergleich habe ich mich beim französischen Original aber letztlich wohler gefühlt, weil hier die Story ein wenig glaubhafter und natürlicher erzählt wurde, insbesondere das Umfeld von Driss wirkte realistischer dargestellt. Somit geht mein Punkt in Runde 1 an das Original. Dies liegt auch daran, dass ich das vermeintliche Happy End mit Nicole Kidman im Remake doch als sehr an den Haaren herbeigezogen empfunden habe.

Wermi:

Über eine lange Zeit gibt das Remake tatsächlich auch nur eins zu eins wieder, was das Original bereits erzählt hat, wo es aber um Welten authentischer rüberkommt und die französische Leichtigkeit ganz klar auf den stringenten Erzählfluss einwirkt. Dementsprechend bleiben bei der Dramaturgie des Originals natürlich richtige Überraschungen auch aus, daher gibt es aber auch keine Momente die den Zuschauer besonders rauswerfen. Das Remake hingegen wirkt deutlich konstruierter, gerade über den Schluss kann man sich da ein wenig die Haare raufen, allerdings macht er davor ein ganz schönes Fass auf, wo ich nicht schlecht gestaunt habe und wo er sich am stärksten in der Story vom Original unterscheidet: Als sich Phillip schließlich das erste Mal mit seiner Brieffreundin auf ein Date trifft, wird er tatsächlich auf Grund seiner Querschnittslähmung abgewiesen. Da musste ich schon ganz schön schwer schlucken und war echt etwas perplex. In meinen Augen war das schon ganz schön gewagt, dafür verzeih ich ihm auch dass er dann wieder die übliche Hollywoodschiene geht. So sehr ich auch finde, dass man sich das Remake schenken und stattdessen lieber einfach nochmal das Original schauen sollte, ist dieser Plotpoint des Remakes für mich ausschlaggebend, seinen Mut mit einem Punkt für das Remake zu belohnen.

Zwischenstand Runde 1: Original vs. Remake 2:1

Runde 2: Schauspieler und Figuren 

Ainu:

Beiden Filmen kann man nicht vorwerfen, dass sie bei den Darstellern gegeizt hätten. Hier wie da haben wir durchaus ein paar Hochkaräter der jeweiligen Länder vertreten. Während sich auf der französischen Seite Francois Cluzet und Omar Sy die flotten Sprüche um die Ohren schmeißen, dürfen bei den Amerikanern Bryan Cranston und Kevin Hart ran. Und ginge es hier nur um die Schauspieler, dann wäre das hier auch ein echt enges Höschen. Aber es geht eben auch um die Figuren und hier muss ich einfach ganz klar sagen, dass mir die französische Herangehensweise um einiges besser gefallen hat. Gerade die Figur des Philippe/Phillip ist im Original zwar nicht weniger zynisch, aber doch prinzipiell lebensbejahend, während sie im Remake öfter mal von Selbstmord redet und allgemein um einiges näher an einer Depression. Aber auch Driss/Dell gefällt mir im Original um einiges besser. Irgendwie schafft es Hart einfach nicht auch nur annähernd dieselbe Portion Charisma zu versprühen wie Sy. Und auch so wirkt der Charakter um einiges trotziger und genervter. Auch hier geht der Punkt also nach meinem Dafürhalten ganz klar an das Original.  

Steffelowski:

Hier haben wir es mit einem echten Kampf David gegen Goliath zu tun. Das Remake sticht bei der Besetzung ganz klar das Original aus. Mit Kevin Hart, Bryan „Heisenberg“ Cranston und – in einer undankbar kleinen Rolle, Nicole Kidman, hat „Mein Bester & Ich“ ziemliche Hochkaräter an Bord, während die Protagonisten der französischen Fassung, François Cluzet und Omar Sy, mir bis zu „Ziemlich beste Freunde“ mehr oder weniger unbekannt waren. Aber große Stars machen nicht auch automatisch einen großen Film. So denn auch hier. Der von Kevin Hart gespielte Charakter bringt so jedes Klischee mit, dass man von einem Schwarzen aus prekären Verhältnissen erwartet. Laut, protzig und bis in die Haarspitzen sexistisch. Das war auch schon 2017 nervig und völlig fehl am Platze. Empfand ich einfach nur als anstrengend. Da habe ich mir das französische Pendant schon wesentlich lieber angesehen. Gleiches gilt für den Charakter des Philippe/Philip. Cranston spielt seinen Part routiniert, wirkt aber zum Teil etwas lustlos. François Cluzet macht seinen Job da schon deutlich besser. Ihm nimmt man die Wandlung vom verbitterten Zyniker zum lebensbejahenden Optimisten durchaus ab. Also, auch in dieser Kategorie hat das Original für mich die Nase vorn.

Wermi:

Beim Remake war ich durchaus skeptisch, da ich alles andere als ein Fan von Kevin Hart bin. Bisher hat er im Kino mit immer denselben Rollen auf sich aufmerksam gemacht, die mir viel zu überdreht, nervig und irgendwie total unlustig sind. Dementsprechend habe ich auf ihn besonders geachtet und musste erstaunt feststellen, dass er seine Sache gar nicht mal so schlecht gemacht hat. Sein Spiel war deutlich zurückhaltender und die Figur des Dell stand ihm ganz gut zu Gesicht. Allerdings sieht er sich einem Omar Sy gegenüber, der vor lauter natürlichem Charisma explodiert und mit einer unnachahmlichen Leichtfüßigkeit die Rolle des Pflegers perfekt ausspielt. Er gewinnt für mich schon fast im Alleingang diese Kategorie, allerdings möchte ich natürlich auf die anderen noch kurz eingehen. Bryan Cranston und Nicole Kidman bleiben recht blass und wurden leider ziemlich verschenkt, was mich besonders bei Cranston enttäuscht, den ich eigentlich besonders gerne sehe (wer auch nicht?). Vielleicht ist er aber auch zu bekannt und man kauft gerade deswegen François Cluzet die Rolle des Philippe viel eher ab. Seine Figur wird auch viel facettenreicher und nachvollziehbarer skizziert und die Balance zwischen seinem inneren Zerwürfnis und dem Spaß am Leben hält er deutlich besser. Machen wir’s nicht unnötig spannend: Der Punkt geht an die Unberührbaren.

Zwischenstand Runde 1: Original vs. Remake 5:1

Runde 3: Genre-Taste

Ainu:

Irgendwo zwischen Feel-Good-Movie, Komödie und Sozialdrama wäre der Film wohl anzusiedeln – womit er sich tatsächlich zu vielen anderen Filmen gesellt. Denn kein Happy End ohne vorangegangenes Drama. Kaum ein Film kommt in seinem zweiten Akt ohne Widrigkeiten aus, die es zu überwinden gilt. Natürlich haben wir es hier mit einer speziellen Art von Drama und Happy End zu tun, aber prinzipiell gibt es auch hier einige Vertreter mit denen sich die beiden Filme messen müssen. Denke ich nun an entsprechende Kandidaten, schneidet das französische Original in diesem Vergleich deutlich besser ab als das amerikanische Remake. Das liegt vor allem daran, dass sich das Original leichter, unbeschwerter und charmanter anfühlt. Außerdem gibt es mehr Witze, die auch deutlich besser zünden. Das Remake fühlt sich dagegen direkt ein wenig schwer und deprimierend an und kommt mit einem so forciert wirkenden Happy End um die Ecke, dass ich mir tatsächlich kurz mit der Hand gegen die Stirn geschlagen habe. Und damit geht auch der letzte meiner Punkte an das Original.

Steffelowski:

Ja, mit welchem Genre haben wir es denn hier zu tun? (Sozial) Komödie, (Sozial) Drama? Ich weiß es nicht. Aber egal, ob der Fokus der Filme hier eher auf dem einen oder dem anderen Genre liegt, überzeugen konnten mich beide bestenfalls nur teilweise. Die (guten) Gags sind nicht zahlreich genug, um den Filmen die gewünschte Leichtigkeit zu geben, die bei dem Thema durchaus angebracht gewesen wäre. Aber auch beim Dramatischen, beim zu Herzen gehenden, werden die Möglichkeiten nicht im vollen Umfang ausgeschöpft. Das ist beides sehr schade, denn die Prämisse des Films bietet grundsätzlich ein gutes Fundament sowohl für eine gute Komödie wie auch für ein überzeugendes und berührendes Drama. Und die Darsteller beider Versionen haben mit Sicherheit das schauspielerische Potenzial, um in jeder Variante zu glänzen. Entschuldigend kann hier natürlich ins Feld geführt werden, dass es sich um eine wahre Geschichte handelt und ein Drehbuch nur begrenzt, einfallsreich und kreativ sein kann, damit das Ganze nicht ins Unglaubwürdige abgleitet. Ich bin ein wenig hin- und hergerissen, aber letztlich habe ich mich wiederum für das  Original entschieden, da die Geschichte etwas ruhiger und entspannter erzählt wird und die Schauspieler mich in ihren Rollen mehr angesprochen haben als in der US-Variante. Ein halbes Voting  für das französische Original

Wermi:

Ich falle einfach schonmal mit der Tür ins Haus: „Ziemlich Beste Freunde“ bekommt für mich in dieser Kategorie die Höchstnote, denn er ist für mich ein Feel-Good-Movie par excellence. In puncto Komödie kommt jeder Gag mit einer wundervollen Leichtigkeit daher und einige von ihnen zünden auch noch bei der 10. Sichtung, Rohrkrepierer sind hier Fehlanzeige. Mustergültig webt er schließlich Drama-Elemente in die bis dahin heitere Stimmung ein und weiß genau welche Knöpfe er bedienen muss, um ans Herz zu gehen. Wenn man mich fragt, dann muss man eine Komödie mit (Sozial-)Drama-Elementen genau so umsetzen. Wenig überraschend fällt „Mein Bester & Ich“ in dieser Kategorie deutlich ab. Eine Vielzahl der Witze wurde einfach kopiert und sie wirken einfach aufgesetzt. Daher funktioniert er als Komödie mal so gar nicht und es sind bloß die Drama-Elemente die einen einigermaßen durch den Film tragen. Am Ende ist es ein klassischer Hollywood-Film, der die typischen Tropes bedient. Punkt für’s Original.

Zwischenstand Runde 1: Original vs. Remake 8:1

Runde 4: Zuschauerwertung

Nach den rein subjektiven Bewertungen des Klappe!-Teams werfen wir abschließend noch einen Blicke auf die harten Fakten. Wie schneiden beide Filme in den sozialen (Film-)Medien sowie in unserer Redaktion ab und wie viel Geld haben sie eingespielt? Hier ein paar nackte Zahlen:

OriginalRemake
IMDB8,5/10,07,0/10,0
Letterboxd4,0/ 5,03,2/5,0
Rotten Tomatoes (Audience Score)93 %82 %
Boxoffice (weltweit nach IMDB, Stand 02.07.2021)rd. 427 Mio. US-Dollarrd. 126 Mio. US-Dollar
Ainus Wertung7/105/10
Steffelowskis Wertung6/104/10
Wermis Wertung10/105/10

Sicherlich eine sehr ordentliche Performance beider Filme. Aber auch hier liegt das Original in allen Kategorien mehr oder weniger weit vorne und ohne das viel Mathematik benötigt wird geht der letzte Punkt ebenfalls nach Frankreich.

Endergebnis Original vs. Remake 9:1 Punkte

Fazit:

Eine ziemlich klare Kiste, die vielleicht auch nicht wirklich überraschend daher kommt. Wieder einmal kann man sich fragen, ob es das Remake bei einem derartig eindeutigen Ergebnis überhaupt gebraucht hätte, aber immerhin hat der Vergleich auch gezeigt, dass es beim Remake manche Ansätze gibt, die nicht vollkommen auf verlorenem Posten stehen.

Wer nun an einer Übersicht von Filmen die alle ein US-Remake erhalten haben interessiert ist, der sei an unserem passenden Bonusmaterial-Beitrag „Aufgewärmtes schmeckt selten besser – Remakes made in USA“ von Steffelowski verwiesen.

Doch jetzt zu euch, jetzt dürft ihr die Klappe aufmachen. Habt ihr einen der Filme oder gar beide schon gesehen? Wie findet ihr die Filme und denkt ihr, es hätte ein Remake gebraucht? Hinterlasst gerne einen Kommentar und tauscht euch mit uns darüber aus.

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