Auf die Frage „Who is the Man?“ konnte es im Kino der frühen 1970er-Jahre nur eine Antwort geben: John Shaft. Er war die „Sex machine to all the chicks“. Zumindest nach dem Text des von Isaac Hayes geschriebenen Titelsongs zum Film „Shaft“ aus dem Jahr 1971. Mit dieser eher unbescheidenen Ansage kam ein neues Genre ins Filmbusiness, das das geänderte Selbstbewusstsein der afroamerikanischen Community in den USA auf den Punkt brachte. Mit dem coolen New Yorker Privatdetektiv John Shaft war das Genre des Blaxploitation-Films geboren.
Seit Leute wie Malcolm X und Dr. Martin Luther King die schwarze Bürgerrechtsbewegung ab den frühen 1960er-Jahren populär gemacht hatten, hatte sich in den USA vieles für die schwarze Bevölkerung zum Besseren gewandelt. Die Gesetze zur Rassentrennung waren faktisch aufgehoben, ein schwarzer Mensch hatte laut Gesetz die gleichen Rechte wie jeder weiße Bürger. Er konnte jeden Beruf ergreifen, sich für jedes öffentliche Amt bewerben und jede Schule, jede Universität im Land besuchen. So zumindest die Gesetzeslage. Dies sah im wahren Leben natürlich nach wie vor etwas anders aus. Hier herrschte in vielen Bereichen des täglichen Lebens, wenn auch in abgeschwächter Form und sicherlich eher in den Südstaaten des Landes, nach wie vor der Rassismus der „guten alten Zeit“.
In Hollywood hatte man bereits ein paar Jahre zuvor ganz allmählich damit begonnen, farbige Schauspieler in größeren, bis hin zu Hauptrollen, zu besetzen. Auch die Charakterisierung der Figuren begann sich zu wandeln. Man bewegte sich weg von den bisher vorherrschenden Rollenklischees gegenüber Schwarzen, die entweder unterwürfige Butler, fröhliche Musiker oder verschlagene Schurken darstellten. Jetzt spielten schwarze Schauspieler, allen voran natürlich der großartige Sidney Poitier, mit den weißen Kollegen absolut auf Augenhöhe. Jedoch reichte dies vielen aus der Black Community nicht aus. Sie wünschten sich ein rein schwarzes Genre, mit eigenen Themen, eigenen Stars, eigenen Regisseuren. Die Geburt des Blaxploitation-Kinos konnte eingeleitet werden.
Die Genre-Klassifizierung „Blaxploitation“ bezeichnet grundsätzlich Filme, in denen (vornehmlich) schwarze Darsteller, in schnell und billig produzierter Kino-Massenware auftreten, deren Handlung zumeist im Drogen- und Gangstermilieu spielt. Tiefgreifende Stoffe mit intensiver Charakterzeichnung oder einer ausgefeilten Dramaturgie sucht man hier vergebens. Es geht um Sex, Drogen und Gewalt. Schnell zu konsumierende Action-Filme, für den Mann (und natürlich auch die Frau) von der Straße. Ein Zuschauersegment, das man zu dieser Zeit in Hollywood aus den Augen verloren hatte.
Mit „Shaft“ kam ein Macho-Film in die Kinos, der sofort zum Hit wurde und der nicht nur beim schwarzen Publikum ausgezeichnet ankam. Als dann noch das „Theme from Shaft“ 1972 mit dem Oscar als bester Filmsong ausgezeichnet wurde, brach eine wahre Sturzflut ähnlich gearteter Filme über das Publikum herein. Interessant hierbei ist, dass es nicht selten die großen etablierten Hollywood-Studios und weiße Regisseure waren, die die „schwarzen“ Stoffe auf die Leinwand brachten.
Titel wie „Visum für die Hölle“, „Frauen in Ketten“, „Coffy-Die Raubkatze“, „Foxy Brown“ und „Ein Fall für Cleopatra Jones“ deuten schon an, dass es hier weniger um Arthouse, dafür mehr um Bahnhofskino geht. Aber genau das verkaufte sich gut. Die männlichen Protagonisten waren immer überlebensgroße coole Super-Machos, die keiner Schlägerei aus dem Weg gingen und die auch ebenso gern den weiblichen Mitwirkenden zeigten, was sich hinter dem Begriff „The Man“ verbarg. Und all die Foxys, Coffys und Melodys wussten sich durchzusetzen, konnten also bereits in dieser Zeit durchaus auf den ersten Blick als starke Frauencharaktere durchgehen. Da sich diese Stärke allerdings meistens durch betont offensiven Körpereinsatz der Ladys ausdrückte, relativierte sich das Female Empowerment nicht ganz unerheblich.
Die Formate, in denen (oft nicht ganz so) Gute die (häufig weißen) Bösen jagen, verprügeln, erschießen, in die Luft sprengen und ihnen sonst auf die Pelle rücken, wiederholten sich allerdings recht schnell, sodass man das Blaxploitation-Kino einfach um weitere Stoffe erweiterte. So gab es Western („Boss Nigger“), Kung Fu-Filme („Black Belt Jones“), Vampirfilme (den legendären „Blacula“, der es sogar zu einer Fortsetzung brachte) und eine neue Fassung von „Frankenstein“ mit dem durchaus witzigen Titel „Blackenstein“. Natürlich konnte der Raum den Schwarze inzwischen in der Filmlandschaft einnahmen sogar noch auf die ganz großen Produktion Einfluss nehmen, die grundsätzlich für ein überwiegend weißes Publikum gemacht waren. Bestes Beispiel ist das James Bond Abenteuer „Leben und Sterben lassen“.
Spätestens ab 1975 ging es aber auch schon wieder zu Ende mit Shaft, Foxy & Co. Bereits zu Beginn des Genres gab es kritische Stimmen von weißen und schwarzen Bürgerrechtlern, die bemängelten, dass die Gewalt- und Sexdarstellungen in den Blaxploitation-Filmen dem Geiste der Bewegung für Gleichberechtigung der afroamerikanischen Bevölkerung keinen guten Dienst erwiesen. Im Gegenteil, die Klischees und Vorbehalte gegen Schwarze wurden durch die Filme in einigen Teilen der Gesellschaft sogar noch bestätigt und damit gestärkt. Aufseiten der Bürgerrechtler sah man die erreichten gesellschaftlichen Veränderungen in Gefahr und war nicht bereit, diese wieder aufzugeben, so dass der Druck auf die Filmemacher stetig zunahm. Da sich die Filme, trotz der Versuche, das Genre mit neuen Stoffen aufzupeppen, inzwischen auch nicht mehr sonderlich gut an den Kinokassen verkauften, war Ende der 1970er-Jahre Schluss. Blaxploitation wurde faktisch für Tod erklärt und zu Grabe getragen. Auch wenn es immer wieder Versuche gab, das Genre zu reanimieren, z. B. durch das „Shaft“-Remake aus dem Jahre 2000 oder der Netflix-Produktion „Dolomite is My Name“ von 2019, schläft Blaxploitation bis heute einen ruhigen und verdienten Schlaf. So wie es das Genre vorsah, kam Blaxploitation schnell, heftig und brutal. Danach verschwand es ohne großes Aussehen und kaum eine Spur zu hinterlassen. John Shaft hätte es ebenso gemacht.